Unter dem Namen @being_vodafone twittern seit März 2013 verschiedene Mitarbeiter Vodafone Deutschlands. Jede Woche übernimmt ein anderer Mitarbeiter das Sprachrohr des Unternehmens auf diesem besonderen Twitter-Account, der diese Woche sogar in der Kategorie „Innovation des Jahres“ mit dem Onlinekommunikationspreis ausgezeichnet wurde . Das Prinzip der wechselnden Betreuung eines Social Media Accounts stammt ursprünglich aus Schweden. Die schwedische Regierung wollte über diesen Weg die Vielfalt des Landes repräsentieren, um damit das Bild des einheitlichen Schwedens in der Außenwelt auf die Köpfe zu stellen. Auch Vodafone hat das Ziel, das Unternehmen möglichst vielfältig darzustellen – indem ohne die üblichen Freigabeprozesse ein Mitarbeiter öffentlich für das Unternehmen sprechen darf.
Bei Vodafone wird der einzelne Mitarbeiter kurz vor der Übernahme des Twitter-Accounts individuell und abhängig von seinen Vorkenntnissen gebrieft. Weitere inhaltliche Einschränkungen gibt es nicht. Genau dies halte ich jedoch für fahrlässig. Und genau diese fehlende (Content-)Strategie mag der Grund sein, warum ich einerseits davon erfahre, dass eine Mitarbeiterin heute amerikanisch gefrühstückt hat und andererseits von neuen Produkten lese. Die Frage ist: Will ich das (als Kunde) überhaupt?
Kommunikation zwischen Mitarbeiter und Marke
Wenn ein Unternehmen sich dazu entschließt, den eigenen Mitarbeitern die Freiheit zu geben, im Namen der Marke zu twittern, sollte das nicht ohne Strategie geschehen. Die Strategie muss nicht detailliert auf zig DIN-A4-Seiten formuliert sein, aber eine Richtung oder ein Ziel und insbesondere einen thematischen Fokus vorzugeben, halte ich nicht für falsch. Ich möchte als Leser gerne einen Mehrwert davon haben, diesem Account zu folgen. Wenn ich dann aber bloß vom Wetter oder davon, dass das Kind noch aus dem Kindergarten abgeholt werden muss, lese, bin ich doch etwas enttäuscht. Das hat für mich gar nichts mehr mit der Marke zu tun.
Klare Abgrenzung der Accounts
Erforderlich für eine Strategie ist vor allem eine klare Abgrenzung des Rotation Curation Accounts zu den bisherigen Accounts. Der Rotation Curation Account, der eine Woche lang von einem Mitarbeiter gepflegt wird, steht in Konkruenz zum PR-Account @Vodafone_DE, bei dem vor allem über Neuigkeiten zu den Produkten informiert wird. Auch muss es eine klare Abgrenzung zum privaten (persönlichen) Account des einzelnen Mitarbeiters geben. Der muss wissen, wo der Tweet über das schlechte Wetter heute besser aufgehoben ist: Auf dem Marken-Profil oder doch besser im eigenen.
Befriedigung der eigenen Neugierde
Als Außenstehender erwarte ich von einem solchen Account vor allem Infos über’s Unternehmen, die ich sonst nicht nicht erhalten würde. Bin ich Kunde, interessiert mich vielleicht am meisten, welcher Standort als nächstes eine bessere Netzabdeckung erhalten wird. Vielleicht weiß das ein Mitarbeiter der Technik-Abteilung? Bin ich Projektpartner, interessiert mich, ob alle gemeinsam beschlossenen Dinge zeitgemäß umgesetzt werden können oder ob sich Lieferungen verzögern – was vielleicht in einem Meeting besprochen wird. Befinde ich mich gerade im Bewerbungsprozess beim Unternehmen, interessiert mich, welche Sozialleistungen mir das Unternehmen bietet und ob das Essen in der Kantine schmeckt. Ich möchte als Außenstehender die eigene Neugierde befriedigen – und das geht nur mit Infos, die für mich einen echten Mehrwert haben. Das, was ich sowieso schon weiß, ist uninteressant.
Chancen für’s Employer Branding
Oben schrieb ich, dass keiner lesen wolle, wenn das Kind noch aus dem Kindergarten abgeholt werden muss. Hier möchte ich ergänzen: Wenn es der Betriebskindergarten des Unternehmens ist, dann möchte ich davon als potenzieller Bewerber sehr wohl lesen. Das sind wieder Infos, die ich sonst womöglich gar nicht bekommen würde. Genau diese persönlichen Einblicke sind es ja auch, die Social Media ausmachen. Sie sollten aber, so blöd das klingt, auch wieder auf die Marke einzahlen. Ein Foto von den Büros, der Meetingräume, des firmeneigenen Fitnessstudios oder des Mittagessens in der Kantine – ergänzt mit einem witzigen Kommentar sind bei den Rotation Curation Accounts gut aufgehoben. Denn diese haben auf einer Facebook-Seite von einem Unternehmen oder einer Agentur meiner Meinung nach nur in Ausnahmefällen bzw. in homöopathischen Dosen etwas zu suchen.
Den Social-Media-Gedanken intern verankern
Ein Rotation-Curation-Projekt bietet auch die Chance, Mitarbeiter, die bisher wenig Erfahrung in sozialen Netzwerken mitbringen, an diese heranzuführen. Indem man ihnen Username und Passwort für den firmeneigenen Twitter-Account überträgt und sie zuvor über erwünschte und unerwünschte Inhalte aufgeklärt hat, erhalten diese die Chance, ihre ersten Erfahrungen mit dem Medium zu machen. Der Aspekt, ohne große Freigabeprozesse etwas im Namen der Marke publizieren zu dürfen, spricht für ein gutes Grundvertrauen des Unternehmens in den einzelnen Mitarbeiter. Auch das ist Wertschätzung. Genau diese und das erlaubte Ausprobieren braucht es vielleicht, um Social Media attraktiv zu machen. Ich kann mir gut vorstellen, dass nach einer Woche Rotation Curation im Unternehmen der ein oder andere Mitarbeiter danach seinen eigenen Twitter-Account eröffnet hat.
Bevor man ein Rotation Curation Projekt plant…
… sollte man sich klar darüber sein, was man kommunizieren möchte. Ein Account ohne inhaltliche Beschränkung spricht zwar für ein großes Grundvertrauen in den eigenen Mitarbeiter, mag genau dort jedoch auch für Unsicherheit und damit für Blockaden, überhaupt etwas zu publizieren, sorgen. Ein Fokus auf ein Themengebiet oder eine Zielgruppe sorgt für grobe Orientierung, ohne einzuengen oder an Authentizität einzubüßen. Die größte Herausforderung bei der Rotation Curation bleibt sicherlich – wie bei jeder Social Media Aktivität – den Spagat zwischen persönlicher und markenbezogener Kommunikation zu schaffen. Hierbei ist wichtig, dass man den Unterschied zwischen persönlich (individuelle Reaktion und Ansprache, Interaktion, Dialog mit den Followern) und privat im Kontext der Unternehmenskommunikation verstanden hat. Gelingt es, die Mitarbeiter für Rotation Curation zu begeistern, wird es leichter fallen, sie auch für weitere Social Media Projekte gewinnen zu können. Das Unternehmen an sich kann neue Fans und Follower gewinnen, wenn es die Leser der Accounts nicht vergisst: Nur, wenn die Inhalte einen Mehrwert für die Außenstehenden bieten, werden sie regelmäßig gelesen und auch die Presse darüber berichten. Das bedeutet im Gegenzug: Ganz ohne Strategie verläuft das Projekt Rotation Curation für Unternehmen im Sande.
Mehr zu Rotation Curation in diesem Video:
Weitere Links zum Thema:
Interview mit Pressesprecher Christian Rapp über das Projekt @being_vodafone
Eine Sammlung verschiedener Rotation Curation Accounts und die Geschichte von @Sweden
Die twitternde Kaffeemaschine Vodafones bei Romy Mlinzk, Initiatorin von @WeareHH
@we_are_rwe : Rotation Curation von RWE
2 Responses to Rotation Curation – Herausforderung und Chance für Unternehmen
Liebe Ute, das ist für mich wieder ein Beitrag mit hohem Mehrwert. Danke sehr 😉
Hallo Evelyn, super, freut mich! 🙂