Dortmund, Bahnhof: Nach einem vollem Workshoptag hetze ich die Treppen hoch zum Gleis, auf dem schon mein ICE abfahrbereit steht. Ich nehme enttäuscht Platz im offenen Wagen, nachdem mir die Zugbegleiterin mitteilte, dass das BordBistro keine Speisen liefern kann. Gezwungenermaßen stelle mich auf die lange Fahrt nach Karlsruhe ohne Essen ein. Der Zug fährt ab. Kurz vor Bochum (dem 1. Halt) kommt der Zugbegleiter, möchte mein Ticket sehen und fragt mich wie immer nach meinem Personalausweis und der Bahncard zur Validierung des Online-Tickets, das ich mir zuvor auf bahn.de gekauft und ausgedruckt habe. Ich suche meinen Geldbeutel in der Handtasche und finde nichts. Ganz ruhig gehe ich noch mal alle Seitenfächer durch. Als ich da auch nichts finde, beginne ich, in meinem Rollkoffer danach zu suchen. Auch nichts. Ich werde panisch. Der Zugbegleiter meint: „Na, ich komme gleich noch mal vorbei.“ Nun stehen wir in Bochum und mir wird klar: Die Bewegung, die ich beim Hochrennen der Treppe an meiner Tasche spürte, war nicht durch mich ausgelöst, es war auch nichts rausgefallen; sondern der Geldbeutel wurde mir von meinem Nebenmann an der Treppe geklaut. Ich renne aus dem Zug, überlege, nach Dortmund zurück zu fahren, doch ich finde zum Glück auch in Bochum einen Bahn-Angestellten, der mir weiterhilft.
In seinem Häuschen auf dem Gleis nimmt er erst mal meine Daten auf, gibt mir die Telefonnummer der Kartensperre und beschreibt mir den Weg zur Bundespolizei, die sich gleich nebenan befindet. Auf der Wache bittet mich der Polizist, den Vorfall zu schildern. Natürlich fragt er mich auch nach dem Inhalt meines Geldbeutels. Das war die erste Herausforderung: Erst einmal aufzulisten, was da alles drin war. Wer mich kennt, weiß, ich habe viele Karten. Vermögen und Daten (Kundenkarten, Payback, …) sind quasi auf viele Stellen verteilt. 😀
1. Gelernte Lektion:
Eine Liste machen, was man alles im Geldbeutel hat. Am besten auch noch gleich die Kartennummern mit dazuschreiben, die haben nämlich Bank und Ämter gern. Während der Polizist in seinem Computer irgendein Formular mit dem Sachverhalt anfertigt, ärgere ich mich mit der Spracherkennung der Kartensperr-Hotline rum. Führe Selbstgespräche auf der Wache, bei denen ich so manches Wort fluche, das ich lieber für mich hätte behalten sollen. Nach ca. 45 Minuten bin ich wieder aus der Wache raus. Den nächsten Zug knapp verpasst, also heißt es: Auf den nächsten warten. Vorbeilaufend an einem Bäcker, denke ich: Schade, so ohne Bargeld kommste dir schon reichlich bekloppt vor. Noch nicht mal ein Brötchen kannste dir kaufen.
Als der nächste Zug kommt, reiße ich eine Abteiltür auf, und lasse mich nur noch auf einen der sechs Sitze plumpsen. Ich wähle die Nummer eines Freundes, erzähle die Story und frage, ob er mich in der Nacht vom Bahnhof holen kann und mir Bargeld leihen kann. Klar, so seine Antwort. Wenigstens das ist erledigt. Ziemlich fertig sitze ich so da, einer der beiden Mitreisenden erkennt meine Lage, und reicht mir eine ganze Packung Haribo Süßigkeiten mit den Worten „Süßigkeiten helfen“. Dankbar nehme ich an. Und doch bin ich noch verärgert. Meine Laune wird besser, als wir uns unterhalten, wir führen ein nettes Gespräch, und ich bin froh, dass es noch Leute gibt, die unkompliziert und freundlich ihre Hilfe anbieten. Als Wiedergutmachung wirkt auch der Ausblick aus dem Fenster, die Strecke von Köln den Rhein hinab ist herrlich, vorbei an netten Burgen und das alles begleitet von einem riesigem Mondbild in rot.
Abends angekommen, falle ich nur tot ins Bett, nicht mehr fähig, noch etwas zu essen. Den nächsten Tag verbringe ich mit dem Nachbestellen meiner Bankkarten und der Recherche, um herauszufinden, was andere Karten in der Neuanfertigung kosten.
Am Samstag dann kommt die Überraschung: Ich logge mich auf Facebook ein, sehe, die Anzahl ungelesener Nachrichten in meinem „Sonstiges“-Ordner (das ist der Ordner, in dem alle privaten Nachrichten von Personen landen, zu denen man auch über ein paar Ecken keine Verbindung bzw. Freundschaft hat), hat sich erhöht. Ein mir bis dato Unbekannter schreibt: „Hallo Frau Klingelhöfer ich glaube ich habe ihren Führerschein Ausweispapiere gefunden“. Ich kann es nicht glauben, doch er bestätigt es mir, sogar der ganze Geldbeutel ist noch da, nicht nur die beiden Ausweise. Hätte ich mal auf den Polizisten gehört, der meinte: „Warten Sie mit dem Beantragen neuer Karten noch 4-5 Tage, oft findet jemand den Kram in einem Mülleimer wieder.“ Und so war es auch: Derjenige hat es im Mülleimer im Toilettenbereich im Bahnhof gefunden. Bargeld raus, und alles andere scheint noch da zu sein. Himmel, war ich happy. Und jetzt freu ich mich auf die Post!
2. Gelernte Lektion:
Die Moral von der Geschicht‘? – Hab ein Facebook-Konto, oder nicht! (Naja, zumindest hat mein ehrlicher Finder den Kanal Facebook gewählt, um mich zu kontaktieren.) Er hat nicht die Post aufgesucht und auch keine E-Mail geschrieben (obwohl meine E-Mail-Adresse leicht zu ergooglen ist). Für mich ist das wieder eine kleine Erfolgsgeschichte, die zeigt, dass jene, die soziale Netzwerke nutzen, einfach besser dran sind. Was meinen Sie?
Foto: gratisography.com
2 Responses to Was ein gestohlener Geldbeutel mit Facebook zu tun hat
Toll geschriebener Artikel! 🙂
Ich habe einmal ein Fitness-Studio-Ausweis gefunden und die Person auch erfolgreich über Facebook kontaktiert, das war der unkomplizierteste Weg. Ich finde auch, dass soziale Netzwerke viele Vorteile bieten. Für mich besteht der größte Vorteil in der Kontaktpflege und im Austausch in Gruppen.
Hallo Alena,
danke für deinen Kommentar zu deiner persönlichen Erfahrung.
Ich glaube, ich hätte auch den Weg über Facebook als erstes ausprobiert, wie für dich wäre das für mich der unkomplizierteste Weg gewesen.
Viele Grüße
Ute